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Depression

Depression (unipolare Depression, Major Depression): Häufigste und zugleich schwere, meist in Phasen verlaufende psychische Erkrankung. Die Erkrankten erleben die Welt "grau in grau", fühlen eine innere Leere, sind hoffnungs- und antriebslos. Die Diagnose wird gestellt, wenn die Symptome länger als 14 Tage anhalten. Etwa 15 % aller Menschen leiden mindestens einmal im Leben an einer behandlungsbedürftigen Depression, Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer. Insbesondere bei alten Menschen sind Depressionen begleitet von chronischen Erkrankungen und einer erhöhten Selbstmordgefahr. Behandelt wird u. a. mit Medikamenten, Psychotherapie und Maßnahmen wie Licht- oder Kunsttherapie. In schweren Fällen können klinische Aufenthalte nötig werden. Die Prognose reicht von der vollständigen Heilung nach einer einmaligen Episode über wiederkehrende depressive Phasen bis hin zu einem chronischen Verlauf ohne Besserung und Suizidgefahr.

Symptome und Leitbeschwerden

Psychische Beschwerden:

  • Interessenverlust
  • Verlust der Freude an sonst angenehmen Tätigkeiten
  • Gefühl der inneren Leere
  • Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit
  • Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
  • Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
  • Schuldgefühle, Gefühle von Wertlosigkeit
  • Erhöhte Reizbarkeit, Aggressivität (vor allem bei Männern)
  • Angst vor der Zukunft, fehlende Lebensperspektive
  • Selbstmordgedanken und -versuche
  • Verlust des sexuellen Interesses.

Körperliche Beschwerden:

  • Deutlich reduzierter Appetit, manchmal aber auch unkontrolliertes Essen
  • Schlafstörungen
  • Starke körperliche Verspannungen oder große Nervosität
  • Gewichtsabnahme, manchmal auch Gewichtszunahme.

Wann in die Arztpraxis

Sofort, wenn quälende Selbstmordgedanken auftreten, Selbstmordabsichten geäußert oder Vorbereitungen getroffen werden (z. B. Tabletten gesammelt werden).

In den nächsten Tagen, wenn sich der Zustand der Betroffenen verschlechtert und kaum noch auszuhalten ist.

In den nächsten Wochen, wenn eine Depression ohne Therapie nicht besser wird.

Die Erkrankung

Häufigkeit

Depressionen sind sehr häufig. Krankenkassendaten zufolge wurde 2023 in der ambulanten Versorgung bei knapp 17 % der Erwachsenen eine Depression diagnostiziert (Frauen 20 %, Männer 13 %). Eine stationäre Behandlung depressiver Episode(n) war 2023 in etwa 260.000 Fällen nötig. Schätzungen zufolge entwickeln etwa 15 bis 20 % der Einwohner*innen Deutschlands im Verlauf ihres Lebens eine Depression.

Formen

Depressionen werden in verschiedene Formen unterteilt. Die häufigste ist die unipolare Depression, bei der es zu einer oder wiederkehrenden Episoden mit depressiver Symptomatik kommt. Unipolar wird die Erkrankung genannt, weil die Betroffenen im Gegensatz zur bipolaren Störung ausschließlich depressive Beschwerden entwickeln. Bei der bipolaren Störung schwanken die Patient*innen zwischen depressiver und extremer, meist unangemessen gehobener Stimmung, den sogenannten manischen Phasen.

Eine Sonderform der unipolaren Depression ist die Winterdepression (auch saisonale Depression). Sie wird durch Lichtmangel in den dunklen Wintermonaten ausgelöst und zeichnet sich durch vermehrten Schlafbedarf, Heißhunger auf Kohlenhydrate und Energiemangel aus.

Depressionen mit einem äußeren Auslöser werden reaktive Depression genannt. Dazu gehören die traumatische Trauerreaktion, die Wochenbettdepression und Wochenbettpsychose und Depressionen als Folge einer anderen psychiatrischen Erkrankung wie z. B. einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die reaktive Depression ist ebenfalls durch eine hohe Selbstmordgefahr charakterisiert, Rückfälle sind aber bei richtiger Therapie viel seltener (außer bei der Wochenbettpsychose).

Abzugrenzen von der Depression sind depressive Verstimmungen, die man zwar als krankhafte Veränderungen der Stimmungslage ansieht, die meist aber ohne therapeutische Hilfe vorübergehen.

Ebenfalls abzugrenzen ist die depressive Persönlichkeitsstörung, die sehr häufig ist und passiv-ängstliche und überangepasste Menschen charakterisiert. Nicht immer empfinden Betroffene die Persönlichkeitsstörung als Krankheit. Betroffene haben aber überzufällig häufig depressive Episoden.

Die larvierte Depression ist ein depressives Zustandsbild, das sich hinter der Maske (larva) körperlicher Beschwerden verbirgt. Hier steht nicht die depressive Verstimmung im Vordergrund, sondern eine Vielfalt körperlicher Beschwerden: Kopf- und Bauchschmerzen, Mundtrockenheit oder Herzbeschwerden. Die larvierte Depression ist kein eigenständiges Krankheitsbild, im Grunde ist ihre Diagnose nur rückwirkend möglich: Denn wenn eine Depression einmal als solche erkannt ist, ist sie zwangsläufig nicht mehr "maskiert".

Krankheitsentstehung

Bei Depressionen gibt es meist mehrere Ursachen, die komplex zusammenwirken:

Genetische Faktoren. Vermutlich spielt eine erbliche Veranlagung eine Rolle, da die Krankheit familiär gehäuft auftritt. Nahe Angehörige von Patient*innen mit einer Depression erkranken dreimal so oft wie Angehörige von Gesunden. Die erbliche Veranlagung stört vielleicht das Zusammenspiel bestimmter Überträgerstoffe im Gehirn (Neurotransmitter).

Psychosoziale Faktoren. Einsame Menschen erkranken häufiger an Depressionen als Menschen, die in einem engen Familien- oder Freundeskreis starken Rückhalt finden. Zudem scheinen bestimmte Persönlichkeitszüge wie Übergenauigkeit, Unsicherheit, überhöhte Erwartungen und Aufopferungsbereitschaft die Entstehung von Depressionen zu begünstigen.

Neben den genetischen und psychosozialen Einflüssen gibt es weitere Risikofaktoren für Depressionen:

  • Geschlecht (Frauen sind häufiger betroffen als Männer), höheres Alter
  • Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit
  • Niedriger sozioökonomischer Status, Armut
  • Andere psychische Störungen, z. B. Angststörungen oder Alkohol- sowie Medikamentenabhängigkeit
  • Chronischer Stress, Burnout, Überforderung
  • Bewegungsmangel, Rauchen, ungesunde Ernährung.

Klinik

Fast immer leiden die Betroffenen unter einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, sind antriebslos und ermüden schnell. Freizeitaktivitäten machen keinen Spaß mehr, das Interesse an der Umwelt sinkt. Statt Freude empfinden die Erkrankten eine innere Leere und Sinnlosigkeit.

Zusätzlich kommen häufig weitere Beschwerden dazu. Viele Betroffene können sich nicht mehr gut konzentrieren und die Arbeit fällt schwer. Einige empfinden Nervosität und innere Unruhe, andere sind verlangsamt bei Bewegungen und beim Sprechen.

Oftmals entwickeln sich unspezifische körperliche Symptome: Schmerzen ohne erkennbare Ursache, Verdauungsprobleme, Schwindel oder Libidoverlust. Essstörungen treten ebenfalls auf. Während manche Patient*innen aufgrund des Appetitverlusts kaum noch essen und an Gewicht verlieren, haben andere Heißhungerattacken auf Kohlenhydrate und werden dicker.

Viele Betroffene nehmen sich selbst und auch ihr Umfeld während der Depression nicht mehr positiv wahr: Sie fühlen sich wertlos, überflüssig oder schuldig und haben keine Hoffnung mehr auf Besserung.

Vor allem depressive Männer sind zusätzlich oft reizbar, aggressiv und anfällig für Wutausbrüche. Dies ist dann meist Ausdruck von Verzweiflung und Hilflosigkeit.

Verlauf

Depressionen verlaufen in der Regel episodisch. Das bedeutet, dass die Krankheitsphasen zeitlich begrenzt sind und auch ohne therapeutische Maßnahmen wieder abklingen können. Unbehandelt liegt die Dauer einer solchen Episode bei etwa sechs bis acht Monaten. Eine effektive Behandlung verkürzt sie auf etwa 16 Wochen.

Der Verlauf der klassischen unipolaren Depression variiert stark: Manche Patient*innen erleben nur eine einzige Phase und sind danach geheilt. Andere erleben eine Episode, nach der gewisse depressive Restsymptome bestehen bleiben. Am häufigsten sind wiederkehrende Episoden, d. h. nach einer beschwerdefreien Phase – die auch Jahre dauern kann – erkranken die Betroffenen erneut.

Bis zu zwei Drittel der Patient*innen erlangen nach einer antidepressiven Therapie ihre alte Leistungsfähigkeit wieder. Allerdings treten innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Behandlung bei etwa 60 % Rückfälle auf, die einer erneuten Therapie bedürfen. Bei 15–25 % der Patient*innen kommt es zu einer dauerhaften Erkrankung (Chronifizierung) mit einer Beschwerdedauer von zwei Jahren und länger.

Depression als Begleiterkrankung

Depressive Störungen sind oft Begleiter von chronisch verlaufenden körperlichen Erkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen, schweren Allergien, Schmerzsyndromen (etwa Fibromyalgien), Tumoren, Multipler Sklerose, Diabetes mellitus oder Demenz. Ebenso treten Depressionen auch bei chronischen psychischen Erkrankungen auf, wie z. B. Angst- und Persönlichkeitsstörungen, Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit sowie Essstörungen. Dabei zeigt die klinische Erfahrung, dass die adäquate Behandlung der depressiven Symptomatik auch die Behandlung der Grunderkrankung positiv beeinflussen kann – und umgekehrt.

Komplikation Suizidgefahr

Besonders gefährlich an der Depression ist die hohe Selbstmordgefahr: Die Hälfte aller Selbstmorde wird von depressiven Patient*innen verübt. Vor allem deswegen werden schwere Depressionen zunächst oft stationär behandelt. Ist die akute Phase überstanden, gelingt es 80 % der Betroffenen, den Alltag wieder zu meistern, meist jedoch erst nach monatelanger Therapie. Längerfristig drohen zudem häufig Rückfälle. Besonders hoch ist die Selbstmordrate bei depressiven alten Menschen, insbesondere bei Männern.

Diagnosesicherung

Nicht immer schätzen Betroffene ihre Situation selbst richtig ein. Manche Erkrankten merken nur, dass etwas nicht stimmt – die Verdachtsdiagnose kommt dann von Menschen im nahen Umfeld oder der Ärzt*in.

Um die Diagnose zu sichern, hält sich die Ärzt*in an ein strukturiertes Vorgehen. Oft wird mit dem einfachen Zwei-Fragen-Test begonnen:

  • Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen oder hoffnungslos?
  • Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Freude an Dingen?

Lauten beide Antworten "nein", ist eine Depression unwahrscheinlich. Wird eine Frage mit "ja" beantwortet, folgt eine ausführlichere Befragung. Dafür lassen sich standardisierte Fragebögen verwenden, so z. B. der Patient Health Questionnaire PHQ-9. Ein Punktwert ≥10 beim PHQ-9 spricht für eine depressive Episode.

Danach schätzt die Ärzt*in den Schweregrad der Depression ein. Dies ist für die Therapieplanung erforderlich, insbesondere für die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung nötig ist. Unterschieden werden drei Kategorien:

  • Leichte depressive Episode: Die Person leidet über mindestens zwei Wochen unter depressiven Beschwerden. Sie ist im Alltag beeinträchtigt, kann diesen meist aber noch bewältigen.
  • Mittelgradige depressive Episode: Zusätzlich zur depressiven Symptomatik ist die Person durch ihre Beschwerden im Alltag deutlich eingeschränkt.
  • Schwere depressive Episode: Zu den depressiven Symptomen kommen starke Schuldgefühle, verlorenes Selbstwertgefühl, Suizidgedanken oder psychotische Symptome (Halluzinationen, Wahnvorstellungen) dazu. Außerdem kann die Betroffene den Alltag kaum oder gar nicht mehr bewältigen. In besonders schweren Fällen kann auch ein depressiver Stupor (körperliche und psychische Erstarrung) auftreten.

Bei Depressionen ist es von zentraler Bedeutung, dass die Ärzt*in die Selbstmordgefahr abklärt. Meist geschieht dies durch direkte Fragen nach Todes- oder Ruhewünschen und nach Plänen, diese in die Tat umzusetzen. Auch für das Ermitteln einer Selbstmordgefahr gibt es standardisierte Fragebögen, z. B. den Selbstbeurteilungsbogen SSEV (Skala suizidales Erleben und Verhalten, Link siehe "Weiterführende Informationen").

Differenzialdiagnosen. Die Diagnose "Depression" erfordert ärztliche Erfahrung und Sorgfalt, weil die Differenzialdiagnose schwierig ist. Viele Depressionen sind Begleiterscheinung einer anderen Erkrankung, z. B. einer Angsterkrankung, Essstörung, Abhängigkeit, Persönlichkeitsstörung oder Teil einer manisch-depressiven Erkrankung. Auch organische Erkrankungen, z. B. der Schilddrüse, können Depressionen vortäuschen. In all diesen Fällen ist es von großer Bedeutung, das ursächliche Krankheitsbild zu kennen, um behandeln zu können.

Behandlung

Die Therapie der Depression ruht auf den Säulen Psychotherapie und Antidepressiva, weitere Verfahren wie Lichttherapie oder Schlafentzug treten ergänzend hinzu. Die Entscheidung, ob eine Therapie ambulant oder stationär erfolgen soll, ist schwierig zu treffen. Sie hängt vom Schweregrad der Depression, der Einschätzung der Selbstmordgefahr und dem sozialen Umfeld des Erkrankten ab. Eine Klinikeinweisung ist aber immer dann erforderlich, wenn

  • Selbstmordgefahr besteht
  • die depressive Symptomatik sehr schwer ist
  • sich der Zustand während der ambulanten Behandlung verschlechtert oder
  • im Umfeld der Patient*in besonders belastende Faktoren vorliegen (z. B. Krise in der Partnerschaft, Alleinversorger) oder der Alltag nicht mehr bewältigt werden kann.

Die stationäre Behandlungsdauer beträgt bei einer akuten reaktiven Depression 1–2 Wochen, bei schweren, sich nur langsam bessernden Depressionen mehrere Wochen bis Monate.

Psychotherapie

Eine psychotherapeutische Behandlung ist bei allen Depressionsformen sinnvoll. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, analytische Psychotherapie (Psychoanalyse) und systemische Therapie. In Studien zum Therapieerfolg haben sich besonders Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie bewährt, um die Sichtweise depressiver Menschen (kognitive Triade) zu überwinden: die negative Sicht der eigenen Person, der Umwelt und der Zukunft. Zunächst werden mithilfe von Tagesprotokollen negative, "automatisch" wiederkehrende Gedanken identifiziert. Diese Grundeinstellungen werden analysiert und von alternativen Einstellungen und Interpretationen abgelöst, z. B. durch die bewusste Distanzierung von negativen Gedanken oder positive Umdeutung, indem man sie z. B. nicht immer gleich als Katastrophe, sondern auch als Herausforderung betrachtet.

Die Interpersonelle Psychotherapie (IPT) ist eine Kurzzeittherapie mit insgesamt 10–20 Sitzungen, die einmal pro Woche stattfinden und speziell zur Depressionsbehandlung entwickelt wurde. Ausgehend von der Beobachtung, dass depressive Erkrankungen immer in einem Kontext mit anderen Menschen stattfinden, befasst sich die IPT mit den aktuellen zwischenmenschlichen Beziehungen der Patient*in. Der Behandlungsschwerpunkt liegt auf der Bewältigung der Beziehungsprobleme, die mit dem Auftreten der Depression zusammenhängen. Nachdem der Nachweis erbracht wurde, dass die IPT eine wirksame Therapie der Depression ist, sind mittlerweile diverse Spezialprogramme entwickelt worden, wie z. B. die IPT-LL (Late Life) zur Behandlung älterer depressiver Patient*innen. Die Kostenerstattung für die IPT über die gesetzlichen Krankenkassen ist derzeit (2025) nur eingeschränkt im Rahmen von Selektivverträgen möglich.

Neben der IPT sind auch expressive Verfahren wie Kunst-, Tanz- oder Musiktherapie erprobte Therapien bei depressiver Symptomatik. Sie werden traditionell in stationären und teilstationären Einrichtungen angeboten, in den letzten Jahren vermehrt auch im ambulanten Bereich.

Apps und Internet. Inzwischen gibt es zahlreiche internet- oder mobilbasierte Interventionen, die zur Linderung depressiver Symptome eingesetzt werden. Oft beruhen diese Apps oder Webseiten auf kognitiver Verhaltenstherapie. Sie enthalten z. B. Übungen zur Bewältigung negativer Gedanken sowie Tipps zur Verhaltensaktivierung und zum Selbstmanagement. Zu unterscheiden ist zwischen begleitenden und unbegleiteten Anwendungen.

Bei begleiteten Interventionen werden die Patient*innen durch eine Therapeut*in angeleitet und unterstützt, der Kontakt läuft über Telefon, E-Mail oder eine Online-Plattform. Sie sind meist effektiver und haben eine geringere Abbruchrate als Anwendungen ohne Begleitung.

Medikamente

Phytopharmaka. Bei leichten Depressionen können pflanzliche, stimmungsaufhellende Medikamente wie Johanniskraut helfen. In einer Meta-Analyse von 29 Studien hat sich Johanniskraut bei leichten Depressionen als genauso wirksam erwiesen wie synthetische Antidepressiva, bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit. Wichtig ist eine regelmäßige Einnahme einer ausreichend hohen Dosierung. Die Wirkung tritt nach zwei bis vier Wochen ein. Es sollten verschreibungspflichtige Präparate verwendet werden, denn viele freiverkäufliche Arzneimittel mit Johanniskraut sind zu niedrig dosiert und in ihrer Wirksamkeit nicht belegt.

Synthetische Antidepressiva. Schwere Depressionen müssen zumeist mit synthetischen Antidepressiva behandelt werden. Der Einsatz ist auch empfehlenswert, wenn sich die Depression verschlechtert – und natürlich, wenn die Patient*in dies ausdrücklich wünscht.

Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend, aktivierend oder – z. B. bei starken Ängsten und Schlafstörungen – beruhigend. Die Wahl der geeigneten Substanzen obliegt dabei der ärztlichen Erfahrung. Zu beachten ist, dass es mehrere Wochen dauert, bis das Medikament wirkt. Manche Antidepressiva führen zunächst zu einer Antriebssteigerung und dann erst zur Verbesserung der Stimmung. Die Patient*innen können in dieser Zwischenphase vermehrt selbstmordgefährdet sein.

Die meisten Antidepressiva erhöhen die Verfügbarkeit von zentralen Botenstoffen im Kontaktbereich der Nervenzellen, dem sogenannten synaptischen Spalt. Dadurch wird die Kommunikation zwischen den Nervenzellen verbessert. Steigt beispielsweise die Menge des Botenstoffs Serotonin im synaptischen Spalt, werden Rezeptoren aktiviert, die stimmungsaufhellende, beruhigende und angstlösende Effekte haben. Neben Serotonin werden je nach Substanz auch andere zentrale Botenstoffe in ihrer Konzentration vermehrt, so z. B. Noradrenalin oder Dopamin.

Nach ihrem Wirkmechanismus teilt man die Antidepressiva in folgende Klassen ein:

Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI), wie u. a. Citalopram, Fluoxetin und Sertralin, werden am häufigsten verordnet, insbesondere bei Depressionen und Angststörungen. SSRI sind stimmungsaufhellend und wirken eher neutral oder leicht aktivierend auf den Antrieb. Sie gelten als gut verträglich, können jedoch Übelkeit auslösen, den Schlaf stören und zu sexueller Dysfunktion führen.

Selektive Serotonin-/Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSNRI), wie Venlafaxin, Duloxetin, Milnacipran, sind ebenfalls gut antidepressiv wirksam. Sie haben dabei eine stärkere antriebssteigernde Wirkung als SSRI. Die Wirkstoffe können den Blutdruck erhöhen und vermehrtes Schwitzen auslösen.

Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antagonisten (NaSSA), wie Mirtazapin und Mianserin, werden ebenfalls häufig verordnet. Sie gelten als gute Alternative bei SSRI-Unverträglichkeit oder begleitenden Schlafstörungen. Sie wirken sedierend und appetitanregend, eine häufige Nebenwirkung ist Gewichtszunahme.

Trizyklische Antidepressiva sind stimmungsaufhellend und haben unterschiedliche Wirkungen auf den Antrieb. Desipramin wirkt antriebssteigernd und kann zu Beginn der Therapie Unruhe und Angst auslösen. Amitriptylin und Doxepin sind eher sedierend und angstlösend und stoßen den Schlaf an. Imipramin wirkt neutral bis leicht antriebssteigernd. Aufgrund ihrer vielfältigen Effekte auf zentrale Rezeptoren und Botenstoffe haben sie eine Vielzahl unerwünschter Wirkungen. Zu nennen sind insbesondere Mundtrockenheit, Sehstörungen, Gewichtszunahme und Herzrhythmusstörungen.

Tetrazyklische Antidepressiva wie Maprotilin haben deutliche sedierende und anticholinerge Effekte wie Mundtrockenheit und Probleme beim Wasserlassen. Am Herz können sie die Erregungsleitung stören. Aufgrund ihrer Nebenwirkungen gelten sie deshalb als Reservemedikament, wenn andere Wirkstoffe nicht effektiv sind.

Daneben gibt es weitere antidepressive Substanzen, die allerdings seltener verordnet werden. Dazu gehören MAO-Hemmer (z. B. Moclobemid), die Blutdruckkrisen und Schlaflosigkeit auslösen können oder Agomelatin, das schlaffördernd wirkt.

Seit geraumer Zeit wird auch das Anästhetikum Ketamin zur Behandlung schwerer Depressionen eingesetzt, insbesondere bei stark ausgeprägten Suizidgedanken. In einer aktuellen irischen Studie waren Ketamininfusionen jedoch nicht wirksamer als die Standardbehandlung. Zudem drohen als Nebenwirkung Verwirrtheit und Blutdrucksteigerung. Die Therapie erfolgt off-label, also ohne Zulassung, und laut Leitlinie nur stationär und unter psychiatrischer Begleitung. Ein Nasenspray mit Esketamin, einem Abkömmling des Ketamins, ist seit 2019 auf dem Markt: Es wird in die Nase gesprüht und soll depressive Symptome schnell lindern. Erwogen wird sein Einsatz bei mittelgradigen bis schweren Depressionen, die auf mehrere andere medikamentöse Behandlungsversuche nicht angesprochen haben. Aufgrund seiner Rauschwirkung werden Ketamin und Esketamin inzwischen allerdings zunehmend als Partydroge missbraucht. Bei langfristigem Missbrauch drohen Suchtentwicklung und neurologische Schäden.

Dauer der antidepressiven Behandlung

Um ein Wiederaufflackern der depressiven Symptome (Rezidiv) zu vermeiden, sollte die Behandlung auch nach Abklingen der Depression noch über mehrere Wochen bis Monate fortgesetzt werden (Erhaltungstherapie). Bei Patient*innen mit chronischer depressiver Verstimmung ist eventuell eine jahrelange Behandlung nötig.

Andere Verfahren zur Behandlung von Depressionen

Bei therapieresistenten 30k25|schwersten Depressionen ist die Elektrokonvulsionstherapie (EKT, früher Elektrokrampftherapie genannt) oft die einzig noch wirksame Hilfe für schwer Erkrankte. Durch die Krämpfe kommt es im Gehirn zu neurochemischen Veränderungen an den Nervenzellen. Die Folge: Die Patient*in wird aus dem psychotischen oder schwerst depressiven Zustand herausgerissen. Die EKT wird als Serie von acht bis zwölf Behandlungen, meist im Abstand von zwei bis drei Tagen, durchgeführt. Die Erfolgsrate der EKT liegt in diesen Fällen zwischen 50 und 75 % und wird heute in Narkose und unter medikamentöser Muskelentspannung durchgeführt, sodass es nicht zu den früher üblichen starken Krämpfen mit möglichen Knochenbrüchen kommt. Sie führt – entgegen der immer noch weitverbreiteten Meinung – nicht zu Persönlichkeitsveränderungen. Häufige Folge der EKT ist allerdings eine leichte Gedächtnisstörung, die sich jedoch innerhalb einiger Wochen zurückbildet. Irreversible Hirnschäden treten in bis zu zehn Fällen von einer Million Behandlungen auf. Auch nach erfolgreicher EKT muss die Arzneimitteleinnahme fortgesetzt werden, da sonst Rückfälle drohen.

Durch schockierende Einzelberichte, in denen die Elektrokrampftherapie zur Disziplinierung psychisch Kranker eingesetzt wurde, hat die EKT ein schlechtes Image. Expert*innen plädieren aber für einen vorurteilsfreien und rationalen Gebrauch der EKT. Denn die Alternative zur Behandlung schwerster Depressionen, eine Mehrfachtherapie mit verschiedenen Psychopharmaka, ist ein gleichermaßen invasiver Eingriff und nicht wirklich "schonender" für die Betroffenen.

Eine Alternative zur EKT oder zur Mehrfachtherapie mit Psychopharmaka ist die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS). Dabei werden am Kopf der Patient*in zwei Magnetspulen befestigt, die einhundert Mal in der Sekunde ein starkes Magnetfeld erzeugen. Das löst einen Krampfanfall im Gehirn aus. Das Verfahren ist weniger belastend, aber auch etwas weniger effektiv als die EKT. Die rTMS soll nur in speziellen Zentren durchgeführt werden.

Der Schlafentzug (Wachtherapie) ist für Patient*innen mit Depressionen gut geeignet, die Hälfte von ihnen profitiert davon. Unabhängig davon, ob ein totaler (ganze Nacht wach) oder ein partieller Schlafentzug (gegen 1 Uhr geweckt) durchgeführt wird, kommt es bei vielen psychisch Kranken tags darauf zu deutlicher Stimmungsaufhellung. Die Wirkung hält meist nur kurz an, dennoch bedeutet schon diese minimale Besserung für viele Patient*innen eine große Erleichterung und ist zudem nebenwirkungsfrei.

Die Lichttherapie zielt darauf, den zirkadianen Rhythmus und damit den Serotonin- und Melatoninspiegel im Gehirn zu beeinflussen. Eingesetzt wird meist helles fluoreszierendes Licht hoher Stärke (mindestens 2500 Lux) aus Lichtduschen, Tageslichtlampen oder Lichtmasken. Damit der Reiz ankommt, müssen die Augen bei der Behandlung offenbleiben. Um sie durch das Licht nicht zu schädigen, besitzen entsprechende Geräte einen UV-Filter. Es gibt verschiedene Therapiepläne, meist wird täglich 30 Minuten bis 2 Stunden über Wochen oder Monate hinweg behandelt. Die Lichttherapie wirkt vor allem bei der Winterdepression. Expert*innen empfehlen sie meist begleitend zu Medikamenten, in leichten Fällen kann man auch nur mit einer Lichttherapie starten.

Prognose

Unbehandelt dauert eine depressive Episode etwa 6 bis 8 Monate, mit Behandlung etwa 4 Monate. In 70 bis 80 % der Fälle kommt es nach der ersten depressiven Phase zu einer oder mehreren weiteren Episoden, d. h. es entwickelt sich eine chronisch rezidivierende Erkrankung. Suizidgedanken haben etwa 70 % der Patient*innen, etwa 2 % bringen sich um.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Professionelle Hilfe suchen. Die beste Selbsthilfe bei Depressionen besteht darin, sich rechtzeitig an eine Psychiater*in zu wenden. Kennt man niemanden, sind Haus- oder Frauenärzt*innen die erste Anlaufstelle. Sie haben oft die Weiterbildung zur psychotherapeutischen Grundversorgung, was sie besonders zum Erstgespräch befähigt. Viele depressiv Kranke schieben diesen Gang vor sich her, weil sie Angst vor der Psychiatrie haben. Durch die heutigen Antidepressiva und die Möglichkeiten der Psychotherapie wird aber nur noch ein Teil der Patient*innen stationär eingewiesen. Das Allerwichtigste ist jedoch, zunächst Klarheit zu bekommen, was einem fehlt. Das allein hat oft schon einen heilenden Effekt.

Ausreichend Bewegung. Körperliche Aktivität kann depressive Beschwerden nachgewiesenermaßen lindern. Empfohlen wird eine Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining. Wenn es schwerfällt, sich zu motivieren, ist womöglich das Training in einer Gruppe hilfreich.

Angehörige entlasten. Die Belastung der Angehörigen von depressiven Patient*innen ist sehr groß, wenn sie mit ihnen zusammenleben. Untersuchungen zeigen, dass über 40 % von ihnen im Lauf der Zeit selbst therapeutische Hilfe benötigen. Sie leiden daran, dass die Erkrankten immer einsilbiger werden, kein Interesse mehr an gemeinsamen Unternehmungen zeigen und Hilfeversuche scheitern. Oft stellen sich auch Schuldgefühle ein, durch eigenes Fehlverhalten zur Depression beigetragen zu haben. Und die Befürchtung, dass sich die Erkrankte etwas antun könnte, ist eine ständige und beängstigende Bedrohung.

Deshalb bieten psychiatrische und psychotherapeutische Kliniken, Ambulanzen und andere Träger Gesprächsgruppen für Angehörige an (30h37|Psychoedukation).

Weiterführende Informationen

Webseite der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention, die Betroffene und Angehörige mit Schulungen, Infomaterial und einem deutschlandweiten Infotelefon unterstützt.

Link zum Selbstbeobachtungsbogen "suizidales Verhalten" in verschiedenen Sprachen.

Quelle:

Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.2. 2022 DOI: 10.6101/AZQ/000505. www.leitlinien.de/depression.

23.12.2025 | Gisela Finke, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski